von Hans-Peter Dannenberg | 12.Mai 2022 | Allgemein, Dharma, Gong Fu, Kloster Otterberg, Kung Fu, Meditation, Qi Gong, Zen
Nimm´ Dich nicht so wichtig
Es war wieder soweit: eine Woche im Shaolin Kloster in Otterberg. Meine zweite Tour dorthin, an den Ort, der mich im letzten Sommer so beeindruckt- und inspiriert hatte. Ich wollte ein zweites Mal eintauchen in die Welt der Stille. Still und doch nicht leise. Eine Welt, die sich anfühlt, am wesentlichen Punkt des Menschseins zu wirken. Ohne Schnörkel, ohne Ablenkung. Ohne sich erklären, oder rechtfertigen zu müssen. Schon im letzten Jahr fand ich es bemerkenswert, wenn sich Egos aufbäumen wollten und sanft im „Nichts“ verpufften, weil da nichts war, was als Empfänger zur Verfügung stand. Lektionen, die ohne Worte auskommen, aber verstanden werden. Von jedem. Wenn nicht beim ersten Mal, dann beim zweiten oder dritten Anlauf.
Die Shifus, Novizen, Disciples, – das komplette „Stammpersonal“ des Klosters, ist geduldig und liebevoll. Nach dem Motto:“ Du bist wichtig, – aber nimm‘ Dich nicht so wichtig“, wird in den Tagen im Kloster klar, dass das Leben auch ohne Drang nach Aufmerksamkeit, nach Anerkennung, danach, sich erklären zu müssen, hier keine Rolle spielen und es einem grundsätzlich ein sehr viel entspannteres Leben beschert, – auch ausserhalb der Klostermauern. Die tagtägliche Jagd nach Profilierung und die Befriedigung nimmersatter Bedürfnisse der Egostruktur sind doch so ermüdend, so anstrengend und machen uns krank. Auf mentaler, wie auch auf körperlicher Ebene.
Der Joint war Schuld!
Gegen 12 Uhr steuerte ich meinen Toyota auf den Parkplatz des Klosters. Ich traf nicht als Erster ein, war gespannt auf meine „Brüder und Schwestern“ auf Zeit. Kati und ihre Reisebegleitung waren schon da. Dann kam eine Teilnehmerin dazu, die den weiten Weg aus den USA nach Otterberg unternommen hatte. Drei lange Reisetage lagen hinter ihr.
Wenig später trudelten sie dann alle ein. Aus Frankreich, Luxemburg, Holland, Belgien und natürlich aus alles Regionen Deutschlands. Mich erstaunte die Anzahl der jungen Teilnehmer. Die Jüngste gerade mal 14 Jahre alt.
Ich fragte mich, ob die Youngsters wohl alle freiwillig hier waren, oder ob da womöglich „pädagogische“ Ambitionen der Erziehungsberechtigten eine Rolle spielten ?! Eines war ja klar: die kommenden Tage werden alles andere als eine „5 – Sterne – Wellneswoche“.
Bei späterem Nachfragen stellte sich heraus, dass besonders die Kampfkunst und das Leben der Mönche für großes Interesse sorgten.
Nur einer meinte mit einem verschmitzten Grinsen:“ Meine Mutter hat mich beim Kiffen erwischt. Deshalb bin ich hier. Aber ich finds klasse. Anstrengend, aber klasse!“
Pünktlich um 13 Uhr wurden wir dann vom Parkplatz abgeholt und auf entsprechende Zimmer verteilt. Anschliessend gab´s eine Kleinigkeit zur Stärkung, Begrüßungsworte und ein paar klare und eindeutige Worte zu Verhalten und gemeinsamen Umgang innerhalb der Klostergemeinschaft.
Die „Arena“! Der Kampf ums Überleben.
Dann folgte bereits das erste Training: Laufen! Natürlich! Was sonst!?
Nach einer kleinen aber hügeligen Runde kamen im Anschluß noch ein paar Bergsprints dazu. Ich hasse Sprints.
Danach dann in die „Arena“. Der Übungsplatz, den ich Arena getauft habe, weil er mich an die Plätze der Gladiatorenkämpfe im alten Rom erinnert. OK. Etwas weit hergeholt, aber wenn man den Kampf der Egos – die hier ums nackte Überleben kämpfen – auf diesen sandigen Platz überträgt, passt es schon wieder ganz gut…finde ich!
Hier spielen sich die nächsten Tage innere, wie äussere Dramen ab. Und wer es schafft, sich nicht in die Dramen des Geistes verwickeln zu lassen, der kommt zur Ruhe und kämpft nicht mehr mit sich. Das ist Teil der Übung. Womöglich der wichtigere Teil dieser Übung!?
„Lass`Dich nicht in die Dramen Deines Geistes verwickeln!“ Shifu Shi Heng Yi
Highlight des heutigen Nachmittages ist dann ein gemeinsames Training mit Shifu Shi Heng Yi. Allerdings lässt er uns nicht allzu lange auf der „Wolke der Hingabe und Schwärmerei“ schweben, denn sein Programm schleudert die meisten von uns beinhart in die Realität zurück. Keine Zeit für „Groupie – Romantik“. ES schmerzt. Körperschmerz! Körperzittern. Keiner will vor diesem „Fixstern der Erleuchtung“ Schwäche zeigen. Oder geht’s nur mir so? Die Komfortzone liegt meilenweit zurück. Die Dramen im Geist fahren volles Programm. Der Shifu „verknackt“ uns zu „Push Ups“…auf den Fäusten. Stundenlang…gefühlt. Die kleinen Steinchen auf dem Sandboden bohren sich in die Finger. Aua! Das tut weh! Weichei! Was machen die anderen? Kann ich nicht unbemerkt schummeln? Pah…ich mach´ so gut ich kann und noch ein bißchen mehr. Dann wechsle ich auf die Handflächen. Die Dramen im Geist spielen eh´ keine Rolle mehr. Der Geist ist „einsgerichtet“. Da ist kein Shifu, kein anderer, kein ich….nur sowas wie ein zittriges, ächzendes, schmerzhaftes sich „bewußt sein“.
Der erste Tag endet wie er hier jeden Tag endet. Nach dem Abendbrot gibt es eine buddhistisch-taoistisch-konfuzianische Fragestunde. Wir haben die Möglichkeit, den Abt des Klosters Fragen zu diesen 3 übergeordneten Themen zu stellen. Gern im Zusammenhang zu alltäglichen Lebenssituationen. Danach folgt eine buddhistische Zeremonie.
Frühstück – Mittag – Abendbrot
Im Kloster in Otterberg wird in Stille gegessen. In allen Klöstern der Welt wird das so gehandhabt. Das soll helfen, bewußt und mit Dankbarkeit die uns dargebotene Nahrung entgegen zu nehmen. Etwas, was uns im Alltagsgeschehen verloren gegangen ist. Häufig schlingen wir die Nahrung in uns hinein, ohne das wir wirklich „dabei“ sind. Für gewöhnlich geht es uns lediglich darum, ein Hungergefühl zu beseitigen.
Die „Arena“: das Ego als Gladiator!
Am nächsten Morgen ist Eines in seiner Eindeutigkeit nicht zu verleugnen: Muskelkater. Niemand spricht aber wirklich darüber. Warum auch!?
Nach der Meditation in der Buddhahalle geht’s zum Frühstück. Anschliessend hecheln wir Teilnehmer hinter den Novizen und Disciples durch den Wald über Stock und Stein. Es liegt zum Teil noch Schnee in den schattigen Passagen und quer über den Pfaden des Waldes sorgen Hindernisse in Form von umgeknickten Bäumen für einen akrobatischen Laufspaß. In der letzten Woche habe es hier noch mächtig geschneit und beeindruckende Stürme haben mit ihrer Wucht manch´ dickbäuchigen Stamm flach gelegt.
Zurück auf dem Klostergelände geht’s wieder in die „Arena“. In den 2 Minuten Pause, darf dem Körper Trinkbares zugeführt und nötigenfalls das Schuhwerk getauscht werden. Letztes Jahr kam ich zu spät und musste 80 Strafliegestütze abliefern. Heute komme ich wieder zu spät. Aber es fällt niemandem auf. Puh!
„Combat Kung Fu“ vom Feinsten
Dann lernten wir unseren Kampf – Shifu kennen. Mit ihm sollten wir die nächsten Tage etliche Trainingsstunden abspulen.
Ein längeres Läufchen am nächsten Morgen führte uns durch herrliche Heidelandschaft, Tannenwälder und gewohnt welligem Terrain bei tollem Wetter und vergessenem Muskelzwicken. Danach wieder Gladiatorenkämpfe in der Arena. Aber: auffällig, das, jetzt Mitte der Woche, weniger Blut und abgeschlagene Köpfe* im Sand liegen.
* als Metapher für Stolz und Ego
Arbeitsmeditation
Jeden Vormittag ab 11 Uhr steht die sogenannte „Arbeitsmeditation“ auf dem Tagesplan. Im japanischen ZEN wird das „Samu“ genannt und ist ein wesentlicher Bestandteil des klösterlichen Lebens und der regelmässig abgehaltenen Meditationsphasen (Sesshins).
Arbeit und Meditation – ist das nicht ein Widerspruch? Sind wir nicht so konditioniert, dass, wenn wir an die Arbeit gehen, so schnell wie möglich, effektiv, gewinnorientiert und mit maximalem Einsatz das Ganze angehen? Ist „Multitasking“ nicht das Maß aller Dinge? Also, möglichst viele Arbeitsprozesse auf einmal? Und bedeutet Meditation nicht Ruhe und Stille? Einsgerichtet sein? Wie passt das zusammen?
Die Arbeitsmeditation hat ein anderes Ziel. Nein. Sie hat im Grunde gar kein Ziel.
Wenn Du Unkraut zupfst, machst Du nur das und bist nur bei dem. Selbstverständlich kommen Gedanken, aber Du lässt sie weiter ziehen, bleibst nicht dran kleben. Gedanken wie: „Da ist noch so viel Unkraut, wie blöd, da brauche ich ja Tage für…“, tauchen möglicherweise auf, aber ziehen weiter, werden nicht festgehalten. Du zupfst Unkraut. Du wirst „Unkrautzupfen“. Das Geplapper der Gedanken im Geist verstummt mit der Zeit, weil Du ihm keine Aufmerksamkeit mehr schenkst.
Wir wollen dabei lernen, im Moment zu leben, bei dem zu sein was wir gerade tun und nicht permanent nur unseren Gedanken, Gefühlen, Emotionen, den zahllosen Mutmaßungen und Spekulationen (Ängste, Sorgen, Nöte) ausgesetzt zu sein. Wir leben ständig am Leben vorbei, weil wir nie wirklich da sind. Schlimmer noch: wir sind nicht nur wirklich da, wir rennen dem Leben ständig hinterher. Wir geraten in Eile, nie ist etwas rund und abgeschlossen, immer türmt sich etwas Neues auf. Wir sind nicht zufrieden. Was folgt sind Unzufriedenheit, Burn Out, Depressionen…..wenn wir nicht Obacht geben.
Gut und Böse!
Während der abendlichen Fragestunde kommt es heute, zu einem, für klösterliche Verhältnisse, regem Gesprächsaustausch. Auch in den nächsten Tage wird immer mal wieder darüber gefachsimpelt. So heißt es auf der einen Seite „Alkohol sei grundsätzlich schlecht, schaut man sich die Folgen des Missbrauchs an“, und andererseits „Alkohol sei nicht grundsätzlich schlecht, es käme auf den Umgang damit an.“
In diesem Zusammenhang auch die Frage, ob es im Buddhismus nicht besonders darum ginge, die Dualität von „Gut“ und „Böse“ zu transzendieren?
Ich möchte diesbezüglich hier ein paar Zeilen eines großen und bekannten Zen – Meisters anführen:
In unserer Praxis ist es am wichtigsten zu erkennen, dass wir Buddhanatur haben. Intellektuell wissen wir das vielleicht, aber es ist ziemlich schwer zu akzeptieren. Unser tägliches Leben befindet sich im Reich von Gut und Böse, dem Reich der Dualität, während die Buddhanatur im Reich des Absoluten zu finden ist, wo es kein Gut und kein Böse gibt. Es gibt eine doppelte Realität. Unsere Praxis besteht darin, über den Bereich von Gut und Böse hinauszugehen und das Absolute zu erkennen. Es kann ziemlich schwer zu verstehen sein. – Shunryu Suzuki aus dem Buch „Nicht immer so: Den wahren Geist des Zen praktizieren“
Die Treppe!
Seit der SWR vor etwa 4 Jahren eine wunderbare Reportage über das „Kloster auf Zeit“ brachte, wird in Insider Kreisen über eine ganz besondere Trainingseinheit gemunkelt: Die Treppe!
Letztes Jahr war uns das erspart geblieben. Diesmal aber sollte es passieren. Joggender Weise (wie sonst) machte sich unsere Gruppe auf den Weg nach Otterberg. Ich weiß nicht mehr genau wieviel Kilometer es dorthin waren, aber es war nicht mal eben um die Ecke. Dort angekommen ging’s auch ohne großes Vorgeplänkel zur Sache.
Manch einer kennt vielleicht solche Momente. Man steht vor einer Situation und denkt:
“ Neee….das ist jetzt nicht Dein Ernst. Das ist doch jetzt nur ein Späßchen.“ Und während Du das denkst, weißt Du ganz genau: es ist kein Spaß, es ist zweifellos völliger Ernst.
Also dann: im Hüpfersprung die Treppen hoch und wieder runter. Danach im Vierfüßlergang hoch und runter, Huckepack, Schiebkarre……Komfortzone ade´! Das Beeindruckenste war für mich das Durchhaltevermögen aller Teilnehmer, besonders derjenigen, die so grundsätzlich und offensichtlich nicht viel mit Sport am Hut hatten. Da fühlte ich mich dann immer besonders schlecht, wenn ich mich mittendrin mal für einen Moment in Ruheposition begab. Nur ganz kurz natürlich…ich schwör.
Nach einer ausgedehnten und gut gelaunten „Kneipp – Pause“ ging’s zu Fuß zurück. Und im Kloster angekommen, strahlten die Mitbrüder und Mitschwestern über alle Backen. Es war anstrengend, ja, aber alle fühlten sich glücklich und zufrieden. Es geht also. „Es geht mehr als Du denkst…verstricke Dich nur nicht in die Dramen Deines Geistes.“
Freitag erhielten wir nochmals beeindruckenden Unterricht in der Arena und Samstag war schon wieder „Kofferpacken“ angesagt. Wie schnell so eine Woche doch vorbei geht.
Am Ende folgt ja immer ein Fazit. Gibt es eins? Nein. Diesmal nicht. Denn es gibt kein Ende. Es geht weiter. Gerne an diesem wundervollen Ort mit diesen wundervollen Menschen. Aber der Ort spielt im Grunde keine Rolle. Nur eines halte ich für wichtig: Verwickel´ Dich nicht in die Dramen Deines Geistes.
Bis dahin…wir sehen uns! In Otterberg.
……..eine Welt, still und doch nicht leise. Eine Welt, die sich anfühlt, am wesentlichen Punkt des Menschseins zu wirken. Ohne Schnörkel, ohne Ablenkung. Ohne sich erklären, oder rechtfertigen zu müssen. Bemerkenswert, wenn sich Egos aufbäumen wollen und sanft im „Nichts“ verpuffen, weil da nichts ist, was als Empfänger zur Verfügung steht. Lektionen, die ohne Worte auskommen, aber verstanden werden. Von jedem. Wenn nicht beim ersten Mal, dann beim zweiten oder dritten Anlauf….
Amituofo !
Vielen Dank an Zheng für sein fotografisches Gespür !!
von Hans-Peter Dannenberg | 23.Okt. 2021 | Allgemein
The Shin-Jin-No-Mei (Chin. Xinxin Ming), the inscription on belief in the mind, is one of the oldest traditional texts of Zen / Chan Buddhism and is refreshingly straightforward and more up-to-date than ever. It was written by Master Kochi Sosan (Chin. Seng – Tsan) the successor of Eka, who in turn was the successor of Bodhidharma, the 1st Patriarch, the Indian monk who brought Zen (Chan) to China.

There is no Dharma apart from Mind, from Zen Word, Zen Calligraphy, text by Eido Tai Shimano, calligraphy by Kogetsu Tani. Available from Shambhala Publications, Inc.
Shin – Jin – No – Mei !
The Perfect Way knows no difficulties.
Except that it refuses to make preferences;
Only when freed from hate and love,
It reveals itself fully and without disguise;
A tenth of an inch’s difference,
And heaven and earth are set apart;
If you wish to see it before your own eyes,
Have no fixed thoughts either for or against it.
To set up what you like against what you dislike—
This is the disease of the mind:
When the deep meaning of the Way is not understood
Peace of mind is disturbed to no purpose.
The Way is perfect like unto vast space,
With nothing wanting, nothing superfluous:
It is indeed due to making choice
That its suchness is lost sight of.
Pursue not the outer entanglements,
Dwell not in the inner void;
Be serene in the oneness of things,
And dualism vanishes by itself.

When you strive to gain quiescence by stopping motion,
The quiescence thus gained is ever in motion;
As long as you tarry in the dualism,
How can you realize oneness?
And when oneness is not thoroughly understood,
In two ways loss is sustained:
The denying of reality is the asserting of it,
And the asserting of emptiness is the denying of it.
Wordiness and intellection—
The more with them the further astray we go;
Away therefore with wordiness and intellection,
And there is no place where we cannot pass freely.
When we return to the root, we gain the meaning;
When we pursue external objects, we lose the reason.
The moment we are enlightened within,
We go beyond the voidness of a world confronting us.

Transformations going on in an empty world which confronts us
Appear real all because of Ignorance:
Try not to seek after the true,
Only cease to cherish opinions.
Abide not with dualism,
Carefully avoid pursuing it;
As soon as you have right and wrong,
Confusion ensues, and Mind is lost.
The two exist because of the One,
But hold not even to this One;
When a mind is not disturbed,
The ten thousand things offer no offense.
No offense offered, and no ten thousand things;
No disturbance going, and no mind set up to work:
The subject is quieted when the object ceases,
The object ceases when the subject is quieted.

The object is an object for the subject,
The subject is a subject for the object:
Know that the relativity of the two
Rests ultimately on one Emptiness.
In one Emptiness the two are not distinguished,
And each contains in itself all the ten thousand things:
When no discrimination is made between this and that,
How can a one-sided and prejudiced view arise?
The Great Way is calm and large-hearted,
For it, nothing is easy, nothing is hard;
Small views are irresolute,
The more in haste the tardier they go.
Clinging is never kept within bounds
It is sure to go the wrong way;
Quit it, and things follow their own courses,
While the Essence neither departs nor abides.
Sosanganji Zenji
von Hans-Peter Dannenberg | 23.Okt. 2021 | Achtsamkeit, Allgemein, Dharma, Erleuchtung, Gong Fu, Kung Fu, Meditation, Qi Gong, Tai Chi, Zen
Das Shin-Jin-No-Mei (chin. Xinxin Ming), die Inschrift vom Glauben an den Geist, gehört zu den ältesten überlieferten Texten des Zen/Chan – Buddhismus und zeigt sich erfrischend schnörkellos und aktueller denn je. Er wurde verfasst von Meister Kochi Sosan (chin. Seng – Tsan) dem Nachfolger von Eka, der wiederum der Nachfolger von Bodhidharma, dem 1. Patriarchen war, dem indischen Mönch, der Zen (Chan) nach China brachte.
Inschrift vom Glauben an den Geist
Der Höchste Weg ist gar nicht schwer, vermeide nur aussuchen und auswählen.
Nur ohne Haben – Wollen und Nicht – Haben – Wollen verstehst du wirklich die klare Leere.
Um eine Haaresbreite abgewichen und Himmel und Erde klaffen auseinander.
Willst Du die Wahrheit sehen, lass los von Dafür und Dagegen.
Der Streit zwischen Dafür und Dagegen: genau das ist die Krankheit des Geistes.
Wenn Du den tiefen Sinn nicht erkennst: ist der Frieden des Geistes gestört.
Der Weg – so vollkommen wie der unendliche Raum – ohne Mangel, ohne Überfluss. Durch Annehmen und Ablehnen wird die Wahrheit nicht erkannt.
Folge nicht der Bestimmung des Seins, noch wohne in der leeren Ablehnung.
Das Eins – Sein trage in der Brust: so erlischt irriges Meinen von selbst.
Wenn Du versuchst, die Bewegung zur Ruhe zu bringen, dann kommt aus der Ruhe wieder Bewegung. Wenn Du im einen Extrem bleibst, oder im anderen, wirst Du das Eine niemals verstehen.
Unveränderlichkeit ist Ziel der Bewegung. Einziges Hindernis ist die Zweiheit:
besser den Samen des Einen zu pflanzen. Das Eine nicht erlangt – Beides verloren.
Das Sein verleugnend ertrinkst du im Sein, der Leere folgend kehrst du ihr den Rücken.
Viel Reden und Denken führt nicht zur Wirklichkeit.
Brich ab die Rede, verwirf das Denken: Erfolg wird Dir zuteil.
Zum Ursprung kehrend erlangst du das Wesen, den Erscheinungen folgend verfehlst du die Quelle. Ein Augenblick der Einsicht verhindert das Verfehlen der Leere.
Im Angesicht der Leere ist Veränderung nur Schein. Wahrheit zu suchen ist sinnlos,
aber verlerne zu meinen.
Bleib nicht stehen bei der Ansicht der Zweiheit, sorglich vermeide ihr zu folgen.
Erscheinen erst Gut und Schlecht, dann auch Verwirrung und falsches Bewusstsein.
Ursprung der Zwei ist das Eine, doch halte das Eine nicht fest.

Ist der Eine Geist ungeboren,
sind die zehntausend Dinge makellos.
Ohne Fehler, ohne Dinge:
ungeboren, kein Geist.
Fähigkeit zum Einklang zerstört die Begrenzung
und mit den Grenzen versinkt auch die Macht.
Ursprung der Grenzen sind die Grenzen der Macht,
Ursprung der Macht ist die Macht zu begrenzen.
Willst du beide Seiten erkennen:
Grundlage ist die Eine Leere.
Die Eine Leere ist gleichsam beides,
in einem enthält sie die zehntausend Formen.
Nicht unterscheiden: fein und grob,
ist besser als einseitig sein.
Der Große Weg ist im Grunde offen, nicht leicht, nicht schwer.
Enger Blickwinkel, Misstrauen, einmal hastig, einmal träge:
Festhalten führt zum Verlust des Gleichgewichts, notwendig treibt es zum Leid!.
Loslassen führt zur Selbstnatur – Substanz vergeht nicht noch bleibt sie erhalten!
Im Einklang mit dem Wesen den Weg bejahen, leichthin wandern und unbetrübt.
Gebundenes Denken verfälscht die Geistkraft, versinkt in Verwirrung unheilvoll.

Unheil und leidende Seele –
wozu ist es gut, dafür, dagegen zu sein?
Wer im Einen Fahrzeug vorankommen will,
verachte nicht die sechs Sinne.
Die sechs Sinne nicht verachten
stellt gleich wieder wahres Bewusstsein her.
Der Weise tut nicht,
der Narr verstrickt sich.
Dharma ist nicht verschieden von Dharma,
Narrenwesen gehört zum Begehren.

Den Geist mit dem Geist erfassen zu wollen, ist das nicht große Verwirrung?
Irrtum gebiert Ruhe und Unruhe, Erleuchtung gebiert weder Liebe noch Hass.
Das Eine zerschneiden in zwei Teile ist Selbstbetrug.
Traum und Täuschung sind wie Blumen am Himmel, wozu sich bemühen, danach zu greifen?
Gewinn, Verlust, richtig, falsch,- weg damit!
Das Auge, wenn es nicht schläft, wird alle Träume von selbst verwerfen.
Zehntausend Dinge sind einem gleich für den Geist, der nicht unterscheidet.
Das Eine führt in die profunde Tiefe. Wer so entschlossen die Fesseln missachtet,
sieht zehntausend Dinge in einem und kehrt wieder zurück zur Selbstnatur.
Mach‘ ein Ende dem Wodurch-Darum;
es ist nicht möglich zu vergleichen.
Die Bewegung beenden: Unbeweglichkeit,
das Ende bewegen: Unendlichkeit.
Die Zwei nicht beendet:
Eins – wie soll es das geben?
Schlussendlich das Endgültige –
keine Bewegung, keine Regel.
Beginnt der Geist Nicht-Unterscheidung,
hat alles irrige Tun ein Ende.
Von Misstrauen völlig gereinigt ist das Urvertrauen in wahrer Harmonie.
Völlig ungehindert, ist nichts mehr zu tun;
unvoreingenommen klar, selbstverwirklicht, mühelose Geistesmacht.
Denken misst und füllt es nicht, Wissen und Fühlen loten es nicht aus.
Unwandelbare Soheit ist die Welt des Dharma,
ohne ein Anderes, ohne ein Selbst.
Musst du spontan antworten,
erwidere und sprich „Nicht-zwei“.
Nicht-zwei – völlig identisch:
nichts, was nicht angenommen wäre.
Die Weisen aller zehn Weltgegenden
betraten sämtlich diesen Pfad.
Der Pfad ist nicht eilig, nicht säumig,
zehntausend Jahre – ein Gedanke.
Ohne da zu sein oder nicht da zu sein,
in allen Richtungen liegt er vor Augen.
Winzig klein – wie groß: Grenzen und Gräben zerbrochen, vergessen.
Riesig groß – wie klein: keine feste Schranke.

Sein entspricht dem Nichtsein, Nichtsein dem Sein. Wo es nicht so ist: keinesfalls darf man dem folgen. Eins ist wie alles, alles wie Eins.
Wenn das aber möglich ist, warum dann die Sorge, dass es nicht zu vollenden ist?
Der Wahre Geist ist Nicht-zwei, Nicht-zwei der Wahre Geist.
Worte gesprochen: den Weg beendet – kein Gehen, kein Kommen mehr.
Gassho!

von Hans-Peter Dannenberg | 1.Okt. 2021 | Achtsamkeit, Allgemein, Meditation
„Kann ich etwas tun, um erleuchtet zu werden?“, fragt der Schüler den Meister. „So wenig, wie Du dazu beitragen kannst, dass die Sonne morgens aufgeht.“ „Was nützen denn all die geistigen Übungen?“. „Sicherzugehen, dass Du nicht schläfst, wenn die Sonne aufgeht.“
Donnerndes Schweigen: Erleuchtung hat nichts mit „Dir“ zu tun. Erleuchtung ist unpersönlich. Denn die Person ist nichts mehr als ein Gedankenkonstrukt. Die Trennung zwischen Dir und mir, zwischen mein und Dein ist lediglich eine chronifizierte Idee, die Buddha als Ursache des menschlichen Leidens erkannt hat. Wenn Erleuchtung passiert, passiert sie nicht Dir. Es passiert. Und wenn sie passiert, wird Dir klar, eindringlich wie ein Blitzschlag: ICH hab´ damit nichts zu tun. Der universelle Witz, der zu Erkenntnis wird. Schallendes Gelächter! Die Erkenntnis, die das Herz zu Tränen rührt. Die Wolken brechen auf und zeigen den wolkenlosen, unendlichen Himmel. Ein Durchatmen, die Last fällt von den Schultern. Sei auf der Hut, sei achtsam. Es passiert nicht Dir, aber es überkommt Dich in dramatischer Weise. Das ist das Paradox der Erleuchtung.
von Hans-Peter Dannenberg | 26.Aug. 2021 | Allgemein
I am very excited. I’ve waited almost 1 year for it and now I’m standing at the gates of the „Shaolin-Temple-Europe“ in Otterberg, in the south of Germany. At the foot of a densely wooded mountain, with a view of a wide green landscape, the temple is picturesquely in an atmosphere of impressive nature and tranquility. The only gentle sound comes from the treetops swaying gently back and forth in the wind. The slight inner tension is already creating a peaceful mood.
A young monk takes care of the necessary formalities with the increasingly numerous participants of the „temporary monastery“, such as the assessment of the „sports doctor’s certificate“ and the signed participant declaration. Then it goes through the large red gate on the grounds of the monastery. We are 17 guests this week.
I move into a 4 – bed room. Martin comes from Switzerland and is an experienced martial artist. Aron is lying in the bunk bed underneath. Aron is the youngster in the room and, as a breakdancer, is also right at the forefront. Carsten comes from the city of Kiel and is next to me the second „Northman“ in our four-person community. Everyone is drawn to the training of the Shaolin monks. But not only that: the Buddhist, Taoist and Confucian approaches generate a lot of interest.
Otherwise the group is very diverse. Not only are there „sports cannons“, also men and women for whom the athletic aspect is not so much in the foreground.
Then it starts: the first training is „rung in“ with a gong. For some reason I think that today, on the first day, it won’t be particularly intense. That turns out to be a fallacy. I put on a T-shirt, my Qi – Gong cotton pants and my thin – soled indoor shoes, because I do not expect to have to go running. Not even close! The announcement is: We go for a jog!
Enlightenment awaits at the summit
Shi Miao Hai starts running. The „Disciples“ (monks on probation) afterwards and we guests – rigid with shock – try to keep up with the crowd. The tar road goes downhill, turn left and up a mountain. My calves immediately report irritation. They are not used to that. My home area is totally flat, lying in the north of Germany, near the danish border.
The mountain is long … very long! I am used to run, I tell myself. Years of marathon and triathlon training should be helpful here. After a while we walk back down a mountain and are now instructed to line up on the tar road in rows of 2: 10 push-ups and sprinting up the mountain about 50 to 100m. The whole thing 10 times. Next to me one of the young monks. He’s going to sprint. I try to stay tuned. But it doesn’t work. It feels like there is a ton of lactic acid in my muscles.
Then the group meets on the training field. The „heat“ goes on. Stretching and Qi – Gong for relaxation. This is followed by exercises from the Kung Fu training program. Unusual movements for my lower body because almost everything takes place in a crouched position. In addition to the battered calves, the thighs are now also complaining: What the hell is going on here?
After dinner there is another round of Qi Gong. Two hours later we also get to know the abbot of the monastery at a Buddhist ceremony. Bedtime is at 10 p.m. In our 4-bed room it is assumed that this first day is only intended as a group test. The next few days will certainly be less strenuous. Yes….!

The next morning the body signals a certain panic in the area of the lower extremities. But first of all breakfast at 7:00 a.m. In silence and gratitude, followed by a 40-minute meditation in the Buddha hall together with the monks of the monastery.
Then it’s back to jogging. This time I wear running shoes. And this time, after a short warm-up, we immediately turn left, up the slope. „Distance yourself from your mind. The mind wants you to stop. You are stronger than your mind!“ Well … is that so for me? Is that so for us? Ultimately, we all reach the summit. Respect creeps in towards to those who are clearly hard to plow. Those who get up first are allowed to crouch as a reward, waiting for the others. After 30 minutes we are back at our training field. I quickly change my shoes and therefore come a little late, which means 70 extra pushups. It’s not checked, but I’ll do it anyway, divided into 3 bites.
Then again constant „standing and moving in a crouched position“. Or so it seems to me. The body is crying. In the middle then a short break. Master Shi Heng Yi appears on the field and takes over the further training. He seems to notice the group’s efforts and says: „You have to see the whole thing like a game. Smile!“ And again: „Let the drama out of your mind.“
After the training we are assigned to the first working meditation. Pluck weeds and pull brambles out of the ground. This is probably a project that has been around for a good 5 years, we are being told. Well then. No questioning. We’ll do it. At 1 p.m. lunch, around 3 p.m. there is a Buddhist lecture by Abbot Shi Heng Zong. Then again training, dinner, Qi Gong, ceremony and at 10 p.m. it’s Bedtime. The next few days are structured in the same way.
On Wednesday Shifu (Shi Heng Yi) gives some instructions and comments on the training: „With Qi Gong and Tai Ji you get to know yourself. It is a path to freedom.“ And further: „With Qi Gong you adjust your body. You get better in everything: swimming, cycling, golfing … sleeping, being awake, getting old.“
I sense what he means and inwardly I agree with him. This reflects my own experience. Physical ailments disappear, the range of motion increases and the mind becomes clear. The healthy, basically the normal state of „being human“ sets in (again).
When doing Qi Gong and Kung Fu exercises, I notice how severely restricted I am. In the last few years my body has adapted to the movement sequences that I have offered it. Nothing more. If I want to get out of these patterns, it becomes problematic. Keeping my body in balance is infinitely difficult for me. Standing on one leg for a long time is not an option. A single wobble. There is even more deficit in coordinative movement sequences. The connection between the brain and the body seems to be broken somewhere. At this point, I don’t even want to speak of muscular-neurological abysses.
But … and that’s „good news“: Change happens the first time you practice. You will immediately see which adjustment screws need to be turned. You can start „adjusting“ immediately.
If I have understood the Shifu correctly, working with the body is about developing an ever finer awareness. More and more adjustments are needed. And of course this is not just limited to the body.
You become the boss of your own life. You make yourself more and more independent of external influences.
And: more and more mindfulness creeps into your everyday life. Mindfulness is the heart of all things. Here you will also find all the answers and all the decisions that are important in your life. The problem with thinking (brain) is, that there is duality there. Always „yes“ or „no“, always „should I“ or „shouldn’t I“? You run the risk of losing yourself. The mind always makes decisions based on concepts and what has been learned from the outside. Parents, school, culture, religion etc. The heart speaks to you from within yourself. Instead of „heart“ you can also use the term „intuition“.
House cleaning of the mind
Apart from the fact that in the monastery there is no possibility to log into the World Wide Web and a telephone network is practically non-existent, the structured daily routine with its exercises, silence, meditation and the constantly present „introperspective“ ensures a period of fasting Mind. The constant chatter of thoughts comes to rest. As a result, a „tidiness“, a clarity is (re) – discovered, the effects of which can be felt on all levels. Internally as well as physically. An intensive „house cleaning“.
Something like a conclusion
At the beginning of the week, the abbot of the monastery sent all participants a clear and strong statement: „We are a Buddhist monastery here. We are not a kung fu school with an altar corner.“ This statement picks me up right away and inside it elicits a joyful „Thank God“. A Buddhist monastery is about Buddha’s teaching. That’s what I wanted. I wanted to get an idea of the symbiosis of the Buddha’s teachings and the way of the Shaolin monks. And? Mission accomplished? Do I get it? No, no! There is something like a fine taste on the tongue. There’s a shimmer in the heart An echo. The mind is tempted to shake words out of its sleeves. A pointless undertaking. What remains, is a smile inwardly and to be grateful for this week with the monks, the Shifus, the abbot, the charming kitchen fairy, the four-legged Buddhas of the community, the cats, the dogs , the two horses and ultimately my 16 brave „brothers and sisters“ for these 6 days.
I’ll be back. Until then, I want to practice daily to avoid the destroyed calves and thighs. However, I am firmly convinced: the Shifu will find ways to corner me again, to guide me to the „point of no return“ and then asks me with a mischievous grin: „Smile! It’s all just a game . „
At least…what a statement:
It’s just after dinner. A young monk is cleaning up the dining room. I ask him why he decided to live in the monastery. He replies: People are there to be loved. Things are there to be used. But that’s not how it is in our world. Things are loved and people are used. I don’t want to live like that.
von Hans-Peter Dannenberg | 23.Aug. 2021 | Achtsamkeit, Allgemein, Meditation
Ich bin sehr gespannt. Knapp 1 Jahr habe ich darauf gewartet und nun stehe ich vor den Toren des „Shaolin-Temple-Europe“ in Otterberg, Rheinland Pfalz. Am Fuße eines dicht bewaldeten Berges, mit Blick auf eine weite Grünlandschaft liegt der Tempel malerisch in einer Atmosphäre von beeindruckender Natur und Stille. Das einzig zarte Geräusch kommt von den Baumwipfeln, die sich im Wind sachte hin und her wiegen. Der leichten inneren Spannung macht sich jetzt schon eine friedliche Stimmung breit.

Ein junger Mönch erledigt mit den nun immer zahlreicher erscheinenden Teilnehmern des „Klosters auf Zeit“ die notwendigen Formalitäten, wie die Begutachtung der „Sportärztlichen Bescheinigung“ und der unterschriebenen Teilnehmererklärung. Danach geht es durch das große rote Tor auf das Gelände des Klosters. 17 Gäste sind wir in dieser Woche.
Ich beziehe ein 4 – Bettzimmer. Martin kommt aus der Schweiz und ist erfahrener Kampfsportler. Im Etagenbett da drunter liegt Aron. Aron ist der Youngster im Zimmer und als Breakdancer sportlich ebenfalls ganz vorn. Carsten kommt aus Kiel und ist neben mir das zweite Nordlicht in unserer Vierer-Gemeinschaft. Alle fühlen sich vom Training der Shaolin-Mönche angezogen. Aber nicht nur das: der buddhistische, taoistische und konfuzianische Ansatz sorgt für großes Interesse.
Auch sonst ist die Gruppe recht bunt gemischt. Nicht nur „Sportskanonen“ sind dabei, auch Männer und Frauen bei denen der athletische Aspekt nicht so sehr im Vordergrund steht.
Dann geht es los: das erste Training wird per Gong „eingeläutet“. Aus irgendwelchen Gründen denke ich mir, dass es heute, am ersten Tag, nicht besonders intensiv zugehen wird. Das erweist sich als Trugschluss. Ich zieh´ mir ein T-Shirt über, meine Qi – Gong Baumwollhose und meine dünn besohlten Hallenschuhe, da ich nicht davon ausgehe, noch laufen gehen zu müssen. Weit gefehlt! Die Ansage lautet: Wir gehen joggen!

Auf dem Gipfel wartet die Erleuchtung
Shi Miao Hai rennt los. Die „Disciples“ (Mönche auf Probe) hinterher und wir Gäste – starr vor Schreck – versuchen den Anschluß zu halten. Es geht die Teerstrasse bergab, links rum und einen Berg hoch. Meine Waden vermelden sofort Irritation. In Schleswig – Holstein sind sie das nicht gewohnt.
Der Berg ist lang…sehr lang! Laufen kann ich ja, rede ich mir ein. Das jahrelange Marathon- und Triathlontraining sollte hier hilfreich sein. Nach einer Weile laufen wir einen Berg wieder runter und werden jetzt instruiert, uns auf dem Teerweg in 2er – Reihen aufzustellen: 10 Liegestütze und den Berg etwa 50 bis 100m hoch sprinten. Das Ganze 10 mal. Neben mir einer der jungen Mönche. Der sprintet los. Ich versuche dran zu bleiben. Wird aber nix.
Anschliessend trifft sich die Gruppe auf dem Trainingsfeld. Weiter geht’s. Dehnen und Qi – Gong zur Erholung. Dann folgen Übungen aus dem Kung – Fu Trainingsprogramm. Ungewohnt, weil fast alles in gehockter Stellung stattfindet. Neben der geschundenen Waden, beschweren sich nun auch die Oberschenkel: Was zum Teufel geht hier vor?
Nach dem Abendbrot findet noch eine Runde Qi – Gong statt. Ausserdem lernen wir bei einer buddhistischen Zeremonie den Abt des Klosters kennen. Um 22 Uhr ist Schlafenszeit. In unserem 4-Bett-Zimmer wird gemutmaßt, dass dieser erste Tag sicher nur als Testung der Gruppe gedacht ist. Die nächsten Tage werden sicherlich weniger anstrengend. Ja, ja….!

Am nächsten Morgen signalisiert der Körper im Bereich der unteren Extremitäten eine gewisse Panik. Aber ersteinmal Frühstück um 7.00 Uhr. In Stille und Dankbarkeit, gefolgt von einer 40-minütige Meditation in der Buddhahalle, gemeinsam mit den Mönchen des Klosters.
Dann geht’s wieder zum Joggen. Diesmal in Laufschuhen. Und diesmal, nach einem kurzen Aufwärmen, biegen wir sofort links ab, den Anstieg hoch. „Distanziere Dich von Deinem Geist. Der Geist will, dass Du aufhörst. Du bist stärker als Dein Geist!“ Tja…bin ich das? Sind wir das? Letztendlich erreichen alle den Gipfel. Respekt schleicht sich ein, gegenüber denjenigen, die sichtlich schwer zu ackern haben. Diejenigen, die zuerst oben sind, dürfen zur Belohnung in Hockstellung auf die anderen warten. Nach 30 Minuten sind wir wieder an unserem Trainingsfeld. Ich wechsle noch schnell das Schuhwerk und komme deshalb etwas zu spät, was 70 Liegestütze extra bedeutet. Das wird zwar nicht kontrolliert, aber ich mach` sie trotzdem, aufgeteilt in 3 Häppchen.
Dann wieder ständiges „Stehen und Bewegen in Hocke“. So kommt es mir jedenfalls vor.
Der Körper weint. Mittendrin dann eine kurze Unterbrechung. Meister Shi Heng Yi erscheint auf dem Platz und übernimmt das weitere Training. Er scheint die Anstrengungen der Gruppe zu bemerken und meint:“ Ihr müsst das Ganze wie ein Spiel sehen. Lächelt.“ Und wieder:“ Lasst das Drama aus dem Geist.“
Nach dem Training werden wir zur ersten Arbeitsmeditation eingeteilt. Unkraut zupfen und Brombeersträuche aus dem Boden ziehen. Dies sei wohl ein Projekt, das es seit gut 5 Jahren gibt. Na denn. Dann machen wir das eben. Um 13 Uhr Mittagessen, Gegen 15 Uhr folgt ein Buddhistischer Vortrag vom Abt Shi Heng Zong. Dann wieder Training, Abendessen, Qi Gong, Zeremonie und um 22 Uhr „Zapfenstreich“. So sind auch die nächsten Tage vom Ablauf her strukturiert.
Justiere Körper und Geist
Am Mittwoch gibt es vom Shifu (Shi Heng Yi) einige Belehrungen und Anmerkungen zum Training: „Mit Qi Gong und Tai Ji lernst Du Dich kennen. Es ist ein Weg zur Freiheit.“ Und weiter:“ Mit Qi Gong justierst Du Deinen Körper. Du wirst in allem besser: Schwimmen, Radfahren, Golfen…Schlafen, Wach sein, Alt werden.“
Ich ahne was er meint und stimme ihm innerlich zu. Dies spiegelt meine eigene Erfahrung wider. Körperliche Wehwehchen verschwinden, der Bewegungsradius erhöht sich und die Birne wird klar. Der gesunde, also der im Grunde normale Zustand des „Menschseins“, stellt sich (wieder) ein.
Beim Qi Gong und dem Kung Fu Übungen bemerke ich, wie arg eingeschränkt ich bin. Mein Körper hat sich in den letzten Jahren den Bewegungsabläufen angepasst, die ich ihm angeboten habe. Mehr nicht. Will ich aus diesen Mustern raus, wird es problematisch. Den Körper in Balance zu halten fällt mir unendlich schwer. Längere Zeit auf einem Bein zu stehen, geht nicht. Ein einziges Gewackel. Bei koordinativen Bewegungsabläufen zeigt sich noch weit mehr Defizit. Die Verbindung von Hirn und Körper scheint irgendwo unterbrochen zu sein. Von muskulär – neurologischen Abgründen will ich an dieser Stelle gar nicht sprechen.
Aber…und das sind „good news“: Veränderung geschieht bereits beim ersten Üben. Dir wird sofort klar, an welchen Stellschrauben zu drehen ist. Du kannst sofort mit dem „Justieren“ beginnen.

Achtsamkeit
Wenn ich den Shifu richtig verstanden habe, geht es bei der Arbeit mit dem Körper darum, ein immer feineres Bewusstsein zu entwickeln. Es kommt immer mehr Justierungsbedarf zum Vorschein. Und das ist selbstverständlich nicht nur auf den Körper beschränkt.
Du wirst zum Chef Deines eigenen Lebens. Du machst Dich immer unabhängiger von äußeren Einflüssen.
Und: es schleicht sich immer mehr Achtsamkeit ein in Deinen Alltag. Achtsamkeit ist das Herz aller Dinge. Hier findest Du auch alle Antworten und alle Entscheidungen, die wichtig sind in Deinem Leben. Das Problem beim Denken (Hirn) ist, dass dort Zweiheit herrscht. Immer „ja“, oder „nein“, immer „soll ich“, oder „soll ich nicht“? Dabei läufst Du Gefahr, Dich zu verlieren. Der Verstand trifft die Entscheidungen immer auf Grund von Konzepten und Gelerntem von Außen. Eltern, Schule, Kultur, Religion etc. Das Herz spricht aus Dir selbst zu Dir. Statt „Herz“ kannst Du auch den Begriff „Intuition“ benutzen.

Hausputz des Geistes
Mal abgesehen davon, dass es im Kloster keine Möglichkeit gibt, sich ins World Wide Web einzuloggen und ein Telefonnetz praktisch nicht vorhanden ist, sorgt der strukturierte Tagesablauf mit seinen Übungen, der Stille, der Meditation und der ständig präsenten „Introperspektive“ für eine Fastenzeit des Geistes. Das ständige Gedankengequassel kommt zur Ruhe. In der Folge wird eine „Aufgeräumtheit“, eine Klarheit (wieder)-entdeckt, deren Auswirkung auf allen Ebenen zu spüren ist. Innerlich, wie körperlich. Ein intensiver „Hausputz“.
Sowas wie ein Fazit
Zu Beginn der Woche übermittelt der Abt des Klosters allen Teilnehmern ein eindeutiges, klares Statement:“ Wir sind hier ein Buddhistisches Kloster. Wir sind keine Kung – Fu Schule mit Altar – Ecke.“ Diese Aussage holt mich direkt ab und innerlich entlockt sie mir ein freudiges „Gott sei Dank“. In einem buddhistischen Kloster geht es um Buddhas Lehre. Das wollte ich. Ich wollte eine Ahnung bekommen von der Symbiose der Lehre Buddhas und dem Weg der Shaolin Mönche. Und? Mission accomplished? Hab` ich es kapiert? Nicht doch! Da ist sowas wie ein feiner Geschmack auf der Zunge. Da ist ein Schimmern im Herzen. Ein Echo, ein Widerhall. Der Verstand ist versucht, Worte aus den Ärmeln zu schütteln. Ein sinnloses Unterfangen. Was bleibt, was mir bleibt, ist innerlich zu grinsen und dankbar zu sein für diese Woche mit den Mönchen, den Shifus, dem Abt, der charmanten Küchenfee, den vierbeinigen Buddhas der Gemeinschaft, den Katzen, den Hunden, den beiden Pferden und letztendlich meinen 16 mutigen „Brüdern und Schwestern“ auf Zeit.
Ich werde wiederkommen. Bis dahin will ich täglich üben, um den zerstörten Waden und Oberschenkeln aus dem Wege zu gehen. Allerdings bin ich fest davon überzeugt: der Shifu wird Wege finden mich abermals in die Enge zu treiben, mich an den „Point of no return“ zu lotsen, um mich dann mit einem verschmitzten Grinsen aufzufordern: „Lächle! Es ist alles nur ein Spiel.“
Und zum Schluß dies:
Es ist kurz nach dem Abendbrot. Ein junger Mönch räumt gerade den Essenraum auf. Ich frage ihn, warum er sich für dieses Leben im Kloster entschieden hat. Er antwortet: Menschen sind dazu da, geliebt zu werden. Dinge sind dazu da, benutzt zu werden. Aber so ist es nicht in unserer Welt. Dinge werden geliebt und Menschen benutzt. So möchte ich nicht leben.
Gassho
Donnerndes Schweigen
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