Kloster auf Zeit 2.0: Wege aus der Komfortzone……

 

 

Nimm´ Dich nicht so wichtig

Es war wieder soweit: eine Woche im Shaolin Kloster in Otterberg. Meine zweite Tour dorthin, an den Ort, der mich im letzten Sommer so beeindruckt- und inspiriert hatte. Ich wollte ein zweites Mal eintauchen in die Welt der Stille. Still und doch nicht leise. Eine Welt, die sich anfühlt, am wesentlichen Punkt des Menschseins zu wirken. Ohne Schnörkel, ohne Ablenkung. Ohne sich erklären, oder rechtfertigen zu müssen. Schon im letzten Jahr fand ich es bemerkenswert, wenn sich Egos aufbäumen wollten und sanft im „Nichts“ verpufften, weil da nichts war, was als Empfänger zur Verfügung stand. Lektionen, die ohne Worte auskommen, aber verstanden werden. Von jedem. Wenn nicht beim ersten Mal, dann beim zweiten oder dritten Anlauf.
Die Shifus, Novizen, Disciples, – das komplette „Stammpersonal“ des Klosters, ist geduldig und liebevoll. Nach dem Motto:“ Du bist wichtig, – aber nimm‘ Dich nicht so wichtig“, wird in den Tagen im Kloster klar, dass das Leben auch ohne Drang nach Aufmerksamkeit, nach Anerkennung, danach, sich erklären zu müssen, hier keine Rolle spielen und es einem grundsätzlich ein sehr viel entspannteres Leben beschert, – auch ausserhalb der Klostermauern. Die tagtägliche Jagd nach Profilierung und die Befriedigung nimmersatter Bedürfnisse der Egostruktur sind doch so ermüdend, so anstrengend und machen uns krank. Auf mentaler, wie auch auf körperlicher Ebene.

Der Joint war Schuld!

Gegen 12 Uhr steuerte ich meinen Toyota auf den Parkplatz des Klosters. Ich traf nicht als Erster ein, war gespannt auf meine „Brüder und Schwestern“ auf Zeit. Kati und ihre Reisebegleitung waren schon da. Dann kam eine Teilnehmerin dazu, die den weiten Weg aus den USA nach Otterberg unternommen hatte. Drei lange Reisetage lagen hinter ihr.
Wenig später trudelten sie dann alle ein. Aus Frankreich, Luxemburg, Holland, Belgien und natürlich aus alles Regionen Deutschlands. Mich erstaunte die Anzahl der jungen Teilnehmer. Die Jüngste gerade mal 14 Jahre alt.
Ich fragte mich, ob die Youngsters wohl alle freiwillig hier waren, oder ob da womöglich „pädagogische“ Ambitionen der Erziehungsberechtigten eine Rolle spielten ?! Eines war ja  klar: die kommenden Tage werden alles andere als eine  „5 – Sterne – Wellneswoche“.
Bei späterem Nachfragen stellte sich heraus, dass besonders die Kampfkunst und das Leben der Mönche für großes Interesse sorgten.
Nur einer meinte mit einem verschmitzten Grinsen:“ Meine Mutter hat mich beim Kiffen erwischt. Deshalb bin ich hier. Aber ich finds klasse. Anstrengend, aber klasse!“
Pünktlich um 13 Uhr wurden wir dann vom Parkplatz abgeholt und auf entsprechende Zimmer verteilt. Anschliessend gab´s  eine Kleinigkeit zur Stärkung, Begrüßungsworte und ein paar klare und eindeutige Worte zu Verhalten und gemeinsamen Umgang innerhalb der Klostergemeinschaft.

Die „Arena“! Der Kampf ums Überleben.

Dann folgte bereits das erste Training: Laufen! Natürlich! Was sonst!?

Nach einer kleinen aber hügeligen Runde kamen im Anschluß noch ein paar Bergsprints dazu. Ich hasse Sprints.

Danach dann in die „Arena“. Der Übungsplatz, den ich Arena getauft habe, weil er mich an die Plätze der Gladiatorenkämpfe im alten Rom erinnert. OK. Etwas weit hergeholt, aber wenn man den Kampf der Egos – die hier ums nackte Überleben kämpfen –  auf diesen sandigen Platz überträgt, passt es schon wieder ganz gut…finde ich!
Hier spielen sich die nächsten Tage innere, wie äussere Dramen ab. Und wer es schafft, sich nicht in die Dramen des Geistes verwickeln zu lassen, der kommt zur Ruhe und kämpft nicht mehr mit sich. Das ist Teil der Übung. Womöglich der wichtigere Teil dieser Übung!?

„Lass`Dich nicht in die Dramen Deines Geistes verwickeln!“      Shifu Shi Heng Yi

Highlight des heutigen Nachmittages ist dann ein gemeinsames Training mit Shifu Shi Heng Yi. Allerdings lässt er uns nicht allzu lange auf der „Wolke der Hingabe und Schwärmerei“ schweben, denn sein Programm schleudert die meisten von uns beinhart in die Realität zurück. Keine Zeit für „Groupie – Romantik“. ES schmerzt. Körperschmerz! Körperzittern.  Keiner will vor diesem „Fixstern der Erleuchtung“  Schwäche zeigen. Oder geht’s nur mir so? Die Komfortzone liegt meilenweit zurück. Die Dramen im Geist fahren volles Programm. Der Shifu „verknackt“ uns zu „Push Ups“…auf den Fäusten. Stundenlang…gefühlt. Die kleinen Steinchen auf dem Sandboden bohren sich in die Finger. Aua! Das tut weh! Weichei! Was machen die anderen? Kann ich nicht unbemerkt schummeln? Pah…ich mach´ so gut ich kann und noch ein bißchen mehr. Dann wechsle ich auf die Handflächen. Die Dramen im Geist spielen eh´ keine Rolle  mehr. Der Geist ist „einsgerichtet“. Da ist kein Shifu, kein anderer, kein ich….nur sowas wie ein zittriges, ächzendes, schmerzhaftes sich „bewußt sein“.
Der erste Tag endet wie er hier jeden Tag endet. Nach dem Abendbrot gibt es eine buddhistisch-taoistisch-konfuzianische Fragestunde. Wir haben die Möglichkeit, den Abt des Klosters Fragen zu diesen 3 übergeordneten Themen zu stellen. Gern im Zusammenhang zu alltäglichen Lebenssituationen. Danach folgt eine buddhistische Zeremonie.

Frühstück – Mittag – Abendbrot

Im Kloster in Otterberg wird in Stille gegessen. In allen Klöstern der Welt wird das so gehandhabt. Das soll helfen, bewußt und mit Dankbarkeit die uns dargebotene Nahrung entgegen zu nehmen. Etwas, was uns im Alltagsgeschehen verloren gegangen ist. Häufig schlingen wir die Nahrung in uns hinein, ohne das wir wirklich „dabei“ sind. Für gewöhnlich geht es uns lediglich darum, ein Hungergefühl zu beseitigen.

Die „Arena“: das Ego als Gladiator!

Am nächsten Morgen ist Eines in seiner Eindeutigkeit nicht zu verleugnen: Muskelkater. Niemand spricht aber wirklich darüber. Warum auch!?
Nach der Meditation in der Buddhahalle geht’s zum Frühstück. Anschliessend hecheln wir Teilnehmer hinter den Novizen und Disciples durch den Wald über Stock und Stein. Es liegt zum Teil noch Schnee in den schattigen Passagen und quer über den Pfaden des Waldes  sorgen Hindernisse in Form von umgeknickten Bäumen für einen akrobatischen Laufspaß. In der letzten Woche habe es hier noch mächtig geschneit und beeindruckende Stürme haben mit ihrer Wucht manch´ dickbäuchigen Stamm flach gelegt.
Zurück auf dem Klostergelände geht’s wieder in die „Arena“. In den 2 Minuten Pause, darf dem Körper Trinkbares zugeführt und nötigenfalls das Schuhwerk getauscht werden. Letztes Jahr kam ich zu spät und musste 80 Strafliegestütze abliefern. Heute komme ich wieder zu spät. Aber es fällt niemandem auf. Puh!

„Combat Kung Fu“ vom Feinsten

Dann lernten wir unseren Kampf – Shifu kennen. Mit ihm sollten wir die nächsten Tage etliche Trainingsstunden abspulen.
Ein längeres Läufchen am nächsten Morgen führte uns durch herrliche Heidelandschaft, Tannenwälder und gewohnt welligem Terrain bei tollem Wetter und vergessenem Muskelzwicken. Danach wieder Gladiatorenkämpfe in der Arena. Aber: auffällig, das, jetzt Mitte der Woche, weniger Blut und abgeschlagene Köpfe* im Sand liegen.
* als Metapher für Stolz und Ego

Arbeitsmeditation

Jeden Vormittag ab 11 Uhr steht die sogenannte „Arbeitsmeditation“ auf dem Tagesplan. Im japanischen ZEN wird das „Samu“ genannt und ist ein wesentlicher Bestandteil des klösterlichen Lebens und der regelmässig abgehaltenen Meditationsphasen (Sesshins).
Arbeit und Meditation – ist das nicht ein Widerspruch? Sind wir nicht so konditioniert, dass, wenn wir an die Arbeit gehen, so schnell wie möglich, effektiv, gewinnorientiert und mit maximalem Einsatz das Ganze angehen? Ist „Multitasking“ nicht das Maß aller Dinge? Also, möglichst viele Arbeitsprozesse auf einmal? Und bedeutet Meditation nicht Ruhe und Stille? Einsgerichtet sein? Wie passt das zusammen?
Die Arbeitsmeditation hat ein anderes Ziel. Nein. Sie hat im Grunde gar kein Ziel.
Wenn Du Unkraut zupfst, machst Du nur das und bist nur bei dem. Selbstverständlich kommen Gedanken, aber Du lässt sie weiter ziehen, bleibst nicht dran kleben. Gedanken wie: „Da ist noch so viel Unkraut, wie blöd, da brauche ich ja Tage für…“, tauchen möglicherweise auf, aber ziehen weiter, werden nicht festgehalten. Du zupfst Unkraut. Du wirst „Unkrautzupfen“. Das Geplapper der Gedanken im Geist verstummt mit der Zeit, weil Du ihm keine Aufmerksamkeit mehr schenkst.
Wir wollen dabei lernen, im Moment zu leben, bei dem zu sein was wir gerade tun und nicht permanent nur unseren Gedanken, Gefühlen, Emotionen, den zahllosen Mutmaßungen und Spekulationen (Ängste, Sorgen, Nöte) ausgesetzt zu sein. Wir leben ständig am Leben vorbei, weil wir nie wirklich da sind. Schlimmer noch: wir sind nicht nur wirklich da, wir rennen dem Leben ständig hinterher. Wir geraten in Eile, nie ist etwas rund und abgeschlossen, immer türmt sich etwas Neues auf. Wir sind nicht zufrieden. Was folgt sind Unzufriedenheit, Burn Out, Depressionen…..wenn wir nicht Obacht geben.

 Gut und Böse!

Während der abendlichen Fragestunde kommt es heute, zu einem, für klösterliche Verhältnisse, regem Gesprächsaustausch. Auch in den nächsten Tage wird immer mal wieder darüber gefachsimpelt. So heißt es auf der einen Seite „Alkohol sei grundsätzlich schlecht, schaut man sich die Folgen des Missbrauchs an“, und andererseits „Alkohol sei nicht grundsätzlich schlecht, es käme auf den Umgang damit an.“
In diesem Zusammenhang auch die Frage, ob es im Buddhismus nicht besonders darum ginge, die Dualität von „Gut“ und „Böse“ zu transzendieren?
Ich möchte diesbezüglich hier ein paar Zeilen eines großen und bekannten Zen – Meisters anführen:
In unserer Praxis ist es am wichtigsten zu erkennen, dass wir Buddhanatur haben. Intellektuell wissen wir das vielleicht, aber es ist ziemlich schwer zu akzeptieren. Unser tägliches Leben befindet sich im Reich von Gut und Böse, dem Reich der Dualität, während die Buddhanatur im Reich des Absoluten zu finden ist, wo es kein Gut und kein Böse gibt. Es gibt eine doppelte Realität. Unsere Praxis besteht darin, über den Bereich von Gut und Böse hinauszugehen und das Absolute zu erkennen. Es kann ziemlich schwer zu verstehen sein. – Shunryu Suzuki aus dem Buch „Nicht immer so: Den wahren Geist des Zen praktizieren“

    Die Treppe!

Seit der SWR vor etwa 4 Jahren eine wunderbare Reportage über das „Kloster auf Zeit“ brachte, wird in Insider Kreisen über eine ganz besondere Trainingseinheit gemunkelt: Die Treppe!

Letztes Jahr war uns das erspart geblieben. Diesmal aber sollte es passieren. Joggender Weise (wie sonst) machte sich unsere Gruppe auf den Weg nach Otterberg. Ich weiß nicht mehr genau wieviel Kilometer es dorthin waren, aber es war nicht mal eben um die Ecke. Dort angekommen ging’s auch ohne großes Vorgeplänkel zur Sache.

Manch einer kennt vielleicht solche Momente. Man steht vor einer Situation und denkt:

“ Neee….das ist jetzt nicht Dein Ernst. Das ist doch jetzt nur ein Späßchen.“ Und während Du das denkst, weißt Du ganz genau: es ist kein Spaß, es ist zweifellos völliger Ernst.

Also dann: im Hüpfersprung die Treppen hoch und wieder runter. Danach im Vierfüßlergang hoch und runter, Huckepack, Schiebkarre……Komfortzone ade´! Das Beeindruckenste war für mich das Durchhaltevermögen aller Teilnehmer, besonders derjenigen, die so grundsätzlich und offensichtlich nicht viel mit Sport am Hut hatten. Da fühlte ich mich dann immer besonders schlecht, wenn ich mich mittendrin mal für einen Moment in Ruheposition begab. Nur ganz kurz natürlich…ich schwör.

Nach einer ausgedehnten und gut gelaunten „Kneipp – Pause“ ging’s zu Fuß zurück. Und im Kloster angekommen, strahlten die Mitbrüder und Mitschwestern über alle Backen. Es war anstrengend, ja, aber alle fühlten sich glücklich und zufrieden. Es geht also. „Es geht mehr als Du denkst…verstricke Dich nur nicht in die Dramen Deines Geistes.“

 

Freitag erhielten wir nochmals beeindruckenden Unterricht in der Arena und Samstag war schon wieder „Kofferpacken“ angesagt. Wie schnell so eine Woche doch vorbei geht.

Am Ende folgt ja immer ein Fazit. Gibt es eins? Nein. Diesmal nicht. Denn es gibt kein Ende. Es geht weiter. Gerne an diesem wundervollen Ort mit diesen wundervollen Menschen. Aber der Ort spielt im Grunde keine Rolle. Nur eines halte ich für wichtig: Verwickel´ Dich nicht in die Dramen Deines Geistes.

Bis dahin…wir sehen uns! In Otterberg.

 

 

……..eine Welt, still und doch nicht leise. Eine Welt, die sich anfühlt, am wesentlichen Punkt des Menschseins zu wirken. Ohne Schnörkel, ohne Ablenkung. Ohne sich erklären, oder rechtfertigen zu müssen. Bemerkenswert, wenn sich Egos aufbäumen wollen und sanft im „Nichts“ verpuffen, weil da nichts ist, was als Empfänger zur Verfügung steht. Lektionen, die ohne Worte auskommen, aber verstanden werden. Von jedem. Wenn nicht beim ersten Mal, dann beim zweiten oder dritten Anlauf….

Amituofo !

 

Vielen Dank an Zheng für sein fotografisches Gespür !!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Shin-jin-no-mei“.  Vom Glauben an den Geist!

„Shin-jin-no-mei“. Vom Glauben an den Geist!

Das Shin-Jin-No-Mei (chin. Xinxin Ming), die Inschrift vom Glauben an den Geist, gehört zu den ältesten überlieferten Texten des Zen/Chan – Buddhismus und zeigt sich erfrischend schnörkellos und aktueller denn je. Er wurde verfasst von Meister Kochi Sosan (chin. Seng – Tsan) dem Nachfolger von Eka, der wiederum der Nachfolger von Bodhidharma, dem 1. Patriarchen war, dem indischen Mönch,  der Zen (Chan) nach China brachte.

Inschrift vom Glauben an den Geist

Der Höchste Weg ist gar nicht schwer, vermeide nur aussuchen und auswählen.
Nur ohne Haben – Wollen und Nicht – Haben – Wollen verstehst du wirklich die klare Leere.
Um eine Haaresbreite abgewichen und Himmel und Erde klaffen auseinander.

Willst Du die Wahrheit sehen, lass los von Dafür und Dagegen.
Der Streit zwischen Dafür und Dagegen: genau das ist die Krankheit des Geistes.
Wenn Du den tiefen Sinn nicht erkennst: ist der Frieden des Geistes gestört.

Der Weg – so vollkommen wie der unendliche Raum – ohne Mangel, ohne Überfluss. Durch Annehmen und Ablehnen  wird die Wahrheit nicht erkannt.
Folge nicht der Bestimmung des Seins, noch wohne in der leeren Ablehnung.

Das Eins – Sein trage in der Brust: so erlischt irriges Meinen von selbst.

Wenn Du versuchst, die Bewegung zur Ruhe zu bringen, dann kommt aus der Ruhe wieder Bewegung. Wenn Du im einen Extrem bleibst, oder im anderen, wirst Du das Eine niemals verstehen.
Unveränderlichkeit ist Ziel der Bewegung. Einziges Hindernis ist die Zweiheit:
besser den Samen des Einen zu pflanzen.   Das Eine nicht erlangt – Beides verloren.

Das Sein verleugnend ertrinkst du im Sein, der Leere folgend kehrst du ihr den Rücken.
Viel Reden und Denken führt nicht zur Wirklichkeit.
Brich ab die Rede, verwirf das Denken: Erfolg wird Dir zuteil.

Zum Ursprung kehrend erlangst du das Wesen, den Erscheinungen folgend verfehlst du die Quelle. Ein Augenblick der Einsicht verhindert das Verfehlen der Leere.
Im Angesicht der Leere ist Veränderung nur Schein. Wahrheit zu suchen ist sinnlos,
aber verlerne zu meinen.

Bleib nicht stehen bei der Ansicht der Zweiheit, sorglich vermeide ihr zu folgen.
Erscheinen erst Gut und Schlecht, dann auch Verwirrung und falsches Bewusstsein.
Ursprung der Zwei ist das Eine, doch halte das Eine nicht fest.

Ist der Eine Geist ungeboren,
sind die zehntausend Dinge makellos.
Ohne Fehler, ohne Dinge:
ungeboren, kein Geist.

Fähigkeit zum Einklang zerstört die Begrenzung
und mit den Grenzen versinkt auch die Macht.
Ursprung der Grenzen sind die Grenzen der Macht,
Ursprung der Macht ist die Macht zu begrenzen.

Willst du beide Seiten erkennen:
Grundlage ist die Eine Leere.
Die Eine Leere ist gleichsam beides,
in einem enthält sie die zehntausend Formen.
Nicht unterscheiden: fein und grob,
ist besser als einseitig sein.

 

Der Große Weg ist im Grunde offen, nicht leicht, nicht schwer.
Enger Blickwinkel, Misstrauen, einmal hastig, einmal träge:
Festhalten führt zum Verlust des Gleichgewichts, notwendig treibt es zum Leid!.
Loslassen führt zur Selbstnatur – Substanz vergeht nicht noch bleibt sie erhalten!

Im Einklang mit dem Wesen den Weg bejahen, leichthin wandern und unbetrübt.
Gebundenes Denken verfälscht die Geistkraft, versinkt in Verwirrung unheilvoll.

Unheil und leidende Seele –
wozu ist es gut, dafür, dagegen zu sein?
Wer im Einen Fahrzeug vorankommen will,
verachte nicht die sechs Sinne.
Die sechs Sinne nicht verachten
stellt gleich wieder wahres Bewusstsein her.

Der Weise tut nicht,
der Narr verstrickt sich.
Dharma ist nicht verschieden von Dharma,
Narrenwesen gehört zum Begehren.

Den Geist mit dem Geist erfassen zu wollen, ist das nicht große Verwirrung?
Irrtum gebiert Ruhe und Unruhe, Erleuchtung gebiert weder Liebe noch Hass.
Das Eine zerschneiden in zwei Teile ist Selbstbetrug.

Traum und Täuschung sind wie Blumen am Himmel, wozu sich bemühen, danach zu greifen?
Gewinn, Verlust, richtig, falsch,- weg damit!
Das Auge, wenn es nicht schläft, wird alle Träume von selbst verwerfen.

Zehntausend Dinge sind einem gleich für den Geist, der nicht unterscheidet.
Das Eine führt in die profunde Tiefe. Wer so entschlossen die Fesseln missachtet,
sieht zehntausend Dinge in einem und kehrt wieder zurück zur Selbstnatur.

Mach‘ ein Ende dem Wodurch-Darum;
es ist nicht möglich zu vergleichen.
Die Bewegung beenden: Unbeweglichkeit,
das Ende bewegen: Unendlichkeit.

Die Zwei nicht beendet:
Eins – wie soll es das geben?
Schlussendlich das Endgültige –
keine Bewegung, keine Regel.

Beginnt der Geist Nicht-Unterscheidung,
hat alles irrige Tun ein Ende.
Von Misstrauen völlig gereinigt ist das Urvertrauen in wahrer Harmonie.

Völlig ungehindert, ist nichts mehr zu tun;
unvoreingenommen klar, selbstverwirklicht, mühelose Geistesmacht.
Denken misst und füllt es nicht, Wissen und Fühlen loten es nicht aus.

Unwandelbare Soheit ist die Welt des Dharma,
ohne ein Anderes, ohne ein Selbst.
Musst du spontan antworten,
erwidere und sprich „Nicht-zwei“.
Nicht-zwei – völlig identisch:
nichts, was nicht angenommen wäre.

Die Weisen aller zehn Weltgegenden
betraten sämtlich diesen Pfad.
Der Pfad ist nicht eilig, nicht säumig,
zehntausend Jahre – ein Gedanke.
Ohne da zu sein oder nicht da zu sein,
in allen Richtungen liegt er vor Augen.

 

Winzig klein – wie groß: Grenzen und Gräben zerbrochen, vergessen.
Riesig groß – wie klein: keine feste Schranke.

Sein entspricht dem Nichtsein, Nichtsein dem Sein. Wo es nicht so ist: keinesfalls darf man dem folgen. Eins ist wie alles, alles wie Eins.

Wenn das aber möglich ist, warum dann die Sorge, dass es nicht zu vollenden ist?
Der Wahre Geist ist Nicht-zweiNicht-zwei der Wahre Geist.
Worte gesprochen: den Weg beendet – kein Gehen, kein Kommen mehr.

Gassho!