„Umgeben und gefangen vom Gestrüpp des Leidens, erkennen wir nicht das Licht am Ende des Weges.“ DS
Vor einiger Zeit trudelte eine E-mail mit einer einfachen, aber doch tiefgreifenden Frage ein:

„Liebe Damen und Herren,
seit dem Freitod meines Ehemannes leide ich.
Wie kann ich das Leid ertragen?
Dank` und herzliche Grüße. 

 

Das klang ernst und ließ auf große Not schließen. In diesen doch überschaubaren Sätzen steckte eine tiefe Verzweiflung. Der minimalistische Inhalt deutete darauf hin, dass es dem Verfasser nicht darum ging, lediglich seinen Herzschmerz ausbreiten zu wollen.
Ohne viel Drumherum, ohne übertriebene Tragik oder Mitleidsbekundungen, tippte hier jemand seine Verzweiflung in die Tasten und formulierte knapp und präzise seine Bitte um Hilfe: „Ich leide! Wie kann ich es ertragen? Danke. Gruß.“ Ihm ging es um nichts weiter als eine Antwort, in der Hoffnung auf Schmerzlinderung.
Ich war beeindruckt und berührt zugleich. Und obwohl ich üblicherweise geneigt bin, für die Beantwortung von ‚Lebensfragen‘ sowohl Zeit als auch Muße verstreichen zu lassen“, spürte ich das Bedürfnis, sofort ein paar Zeilen zurück zu senden.
Mir war klar: Leander Crohn wollte kein plattes, esoterisches Gesäusel. Er kannte das alles bereits. Meinem Gefühl nach hatte er alle gängigen Themenbereiche geistiger, religiöser und spiritueller Felder abgegrast.
Wie sich im Laufe unserer folgenden „Unterhaltungen“ herausstellte, entpuppte sich das Gefühl als richtig.

Leander Crohn und ich sind uns nie persönlich begegnet, weder von Angesicht zu Angesicht, noch über das Telefon oder während eines Online-Meetings. Eigentlich kennen wir uns nicht und doch sind wir geistig eng beieinander. Unsere Begegnungen spielten sich auf geistiger Ebene ab und drücken sich im geschriebenen Wort aus. Und noch etwas: dies ist keine aus bloßer Phantasie geborene Geschichte. All´ das offenbarte sich wahrhaftig und lebendig im Leben zweier, in dieser Welt lebenden Menschen.

In zeitlich variablen, aber verbindlichen Abständen soll hier in den nächsten Wochen und Monaten der E-mail – Austausch zwischen mir und Leander Crohn zur Veröffentlichung kommen. Denn in einer Welt voller Tragik und Drama, einer Welt, in der ständig das Damoklesschwert der Vergänglichkeit über uns schwebt, stellen sich viele Menschen genau diese Frage:

“ Wie kann ich das Leiden ertragen?“

Hans-Peter Dannenberg (Donnerndes Schweigen)

  • Mail 1: Verzweiflung!

Liebe Damen und Herren,

seit dem Freitod meines Ehemannes leide ich.
Wie kann ich das Leid ertragen?

Dank` und herzliche Grüße,
Leander Crohn

Antwort

Hallo Leander Crohn,

ich weiß es nicht.

Ich könnte Ihnen einige wohlklingende Plattitüden aus verschiedensten Bereichen der Spiritualität offerieren,
aber damit wäre Ihnen nicht geholfen. Also will ich Ihnen nichts vorgaukeln und wiederhole:
ich weiß es nicht, denn ich kenne Sie nicht. Ich weiß nichts über Sie. Ich weiß nicht wie Sie innerlich ticken, weiß nicht wo Sie stehen, weiß nichts über ihr Leben.

Sie stellen im Grunde DIE große Frage der Menschheit: wie kann ich das Leid ertragen? Es gibt Antworten dazu. Aber es gibt nicht die EINE Antwort für uns alle. Jeder Mensch hat seinen ganz eigenen Weg.
Der Tod ist eine große Herausforderung. Und wenn es dann noch der Freitod eines geliebten Menschen ist, dann kommt üblicherweise auch noch ein weiterer Brocken dazu, der nur schwer zu schlucken ist: SCHULD.

Ich kenne Sie nicht, deshalb weiß ich nicht, ob und auf welche Weise Sie der Frage bereits nachgegangen sind. Vielleicht sind Sie in einer Selbsthilfegruppe, oder stecken gerade in einer Therapie?

Meiner Meinung nach ist eine Geistesschulung der letztlich einzige Weg. Im Geist liegt das Problem…und die Lösung. Nur dort können Antworten gefunden werden. Die Wahrheit über das Leiden, über den Tod, über Schuld und – das Wichtigste – über sich selbst. Freiheit ist immer die Freiheit des Geistes. Dort müssen wir schauen. Nicht da draussen in der Matrix, der Welt des Wahnsinns.
Eines möchte ich Ihnen gern versichern: die „Realität der Welt“ ist anders, als sie sich in unserer Vorstellung präsentiert. „Vorstellungen stellen sich vor die Wirklichkeit“, äußerte sich einst Zenmeister Harry Mi Sho Teske.

„Es gibt ein Ende des Leiden“, predigt der Buddha. Und es lohnt sich, dieser waghalsigen Aussage nachzugehen. Jesus hat das Gleiche versprochen. Und wo sich die Beiden ebenfalls einig zeigten, war der Hinweis darauf, dass das Leiden, was uns so verzweifeln und den Atem stocken lässt, auf der anderen Seite das Tor zum Frieden ist und nirgendwo anders als im Geist zu finden ist.

Das Leben präsentiert uns ständig Lektionen. Wenn wir sie bestehen, wunderbar. Wenn nicht, bekommen wir sie wieder vorgesetzt. Bis wir es kapiert haben.
Vorsicht. Gerade bemerke ich, wie ich gefährlich dicht an die oben erwähnten Plattitüden rutsche. Deshalb ende ich hier besser.

Einen letzten Tipp: schauen Sie sich nach einem Weg. Spüren Sie in sich hinein, – was erscheint Ihnen stimmig. Forschen und entdecken sie. Wo bemerken sie Resonanz!? Buddhismus, Christus, Advaita Vedanta, oder was auch immer. Probieren Sie aus. Und vielleicht können Sie sich einem Weg öffnen.
Auch ein Lehrer/Lehrerin kann eine zeitlang hilfreich sein.

Ich bitte um Verzeihung, dass ich Ihnen in Ihrer Not nichts Konkretes anbieten kann. Aber Sie sind eine eigene Persönlichkeit, einzigartig. Da braucht es den für Sie einzigartigen „Plan“.

Melden Sie sich gern, sollte es Ihnen ein Bedürfnis sein!

Ich wünsche Ihnen und Ihrem Ehemann von Herzen „Alles Beste“.

Hans-Peter Dannenberg

**Ergänzung:**

Wie kann ich das Leid ertragen? Diese Frage trägt in sich einen gravierenden Fehler! Zumindest aus spiritueller Sicht. Sie impliziert, dass das Leiden in unserem Leben eine unwiderrufliche Tatsache darstellt und wir lediglich versuchen können, einen Weg zu finden, es zu ertragen, zu akzeptieren.
Das Leiden ist eine Erfindung des Egos. Es ist nichts weiter als ein hartnäckiges Missverständnis.
Anstatt: „Wie kann ich das Leid ertragen?“,
sollte es heißen:“ Was ist die Ursache des Leidens?“   Denn, kenne ich die Ursache, wird mir gleichzeitig das Mittel zur Leidfreiheit gegeben.
By the way: der Name des Absenders wurde  geändert.
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  • Mail 2:   Ein Plan muß her!

Guten Tag Herr Dannenberg,

Sie haben mir mit Ihren Worten sehr geholfen.
Ich erwarte Psychotherapie.
Ein Kreis von Freundinnen und Freunden ist Stütze.
Ich fühlte mich immer angesprochen vom fernöstlichen Weltbild.
Hier und jetzt keine Antwort, das ist mir merkwürdige Erleichterung.
Die spirituelle Wirklichkeit lässt keine Worte zu.
Darum scheint sie mir gering geschätzt.
Gern möchte ich Kontakt für meinen „weiteren Plan“, den Sie formulieren.
Mit Dank und freundlichem Gruß

Leander Crohn

Mail 2 Antwort

Sehr geehrter Leander Crohn!

Der „weitere Plan“ ist bereits formuliert. Allerdings weder von mir, noch von Ihnen.
Zumindest nicht von dem Teil, den Sie für Leander halten.

Gern möchte ich Sie dabei begleiten. Und vielleicht schaffen wir es gemeinsam, die mit großer Wahrscheinlichkeit aufkommenden Widerstände auszumachen und einen hilfreichen Umgang damit zu finden.

In der Psychotherapie geht es ja zumeist um Hilfestellungen im Umgang mit sich selbst. Wie gehe ich im Alltag mit meinen Ängsten, mit meiner Trauer, mit all’ den emotionalen Fallstricken um, die mich an die Grenzen des Erträglichen drängen. Oftmals werden traumatische Ereignisse aufgedeckt und angeschaut. Der Therapeut versucht dann gemeinsam mit dem Betroffenen, Wege zu einem gesunden, heilenden Umgang zu finden.

Was wir machen wollen, ist Geistesschulung. Der Geist ist Schöpfer unserer Erfahrungswelt. Und nur der!
Und um es schon mal vorwegzunehmen: es sind nicht die äußeren Umstände, Bedingungen, Geschehnisse, oder Menschen die für unser Leiden verantwortlich sind. NIE! Nie! Nie!
„Ja…aber“, höre ich dann häufig. Nix „Ja…aber“.
Ihren Worten nach zu urteilen, glaube ich, das dies keine Neuigkeit für Sie ist. Sie haben es sich schon gedacht. Sie ahnen es. Aber was soll man mit dieser Ahnung anfangen? Hinschauen! Auf die Quelle, Geist, Gott, Buddha etc. Geistesschulung eben.

Psychotherapie und Geistesschulung passen eine Weile lang gut zusammen. Beides kann sich eine Zeit lang gegenseitig befruchten. Es geht ja nicht darum, das Ego zu bekämpfen und womöglich loswerden zu wollen. Das wird in spirituellen Kreisen gern propagiert. Ist aber großer Unsinn. Es geht mehr darum, die Dominanz des Ego zu hinterfragen und es aus der vordersten Reihe wieder zurück an den ihm zugewiesenen Platz zu verweisen.

Das soll es sein für heute.
Ich möchte Ihnen bei unserem nächsten Kontakt eine „Übung“ vorschlagen. Eine Geistesübung. Es wird spannend, denn:
„Der Stein, der nun ins Rollen kommt, wird Fahrt aufnehmen.

Mit besten Grüßen aus dem Norden,

Hans-Peter Dannenberg

  • Mail 3: Der Verstand! Ein falscher Prophet!

Hallo Herr Dannenberg,

Ihre Worte, mit denen Sie auf meine Anfragen reagieren, öffnen mein Interesse.
Dafür danke ich Ihnen.

Nach einiger Überlegung empfinde ich, dass übertriebene Zurückhaltung dumm sein kann.

Derzeit kommt mir die Mail entgegen.

Aus diesem Grunde denke ich, dass Informationen per Mail, die ohnehin öffentlich sein können, wichtig für den Beginn eines hilfreichen Austausches sind.

Auch daran ist mir derzeit nach wie vor gelegen.

Wie es dann weitergeht, wird man sehen.

Also kurz einige Fakten:

1. Alter 66
2. Studium
3. Diplom
4. Weltanschauungen offen
5. Eher Einzelgänger
6. Introvertiert
7. „Sinn“ suchend seit 66 Jahren
8. Metaphysik, Transzendenz interessiert
9. Keine „Antworten“
10. Keine „Urteile“
11. Philosophie, „Theologie“

Derzeit empfinde ich Rationalität und Irrationalität gleichwertig.

Monismus und Dualismus bedenkenswert.

Suche nach „Erlösung“ nachdenklich.
Suche nach „Erlöser/in“ sehr bedenklich.

Leiden an Vergänglichkeit rational nicht zu bewältigen.
Leiden überhaupt nicht zu bewältigen.

Akzeptanz wichtig, mir aber nicht zugänglich.
Noch.

Ich fühle, dass diese ersten Informationen zunächst Zugang geben und ausreichen können.

Ich danke Ihnen für Ihre Bemühungen und helfende Offenheit.

Herzliche Grüße

 

Mail 3 Antwort

Sehr geehrter Herr Crohn!

Sie haben mir ein paar Stichpunkte zu Ihrer Person mitgeteilt. Danke dafür.
Ich würde gern mehr über Sie erfahren.

Würden Sie mir mitteilen wollen/können, was Sie unter „Liebe“ verstehen?
Was bedeutet „Glück“ für Sie?
Was enttäuscht Sie?
Was verletzt Sie?
Gibt es Momente in denen Sie sich „Eins“ mit allem fühlen? Verbundenheit?
Glauben Sie, dass wir über einen „Freien Willen“ verfügen?

Das sind wohl sehr persönliche Fragen. Wenn Sie mir darauf nicht antworten möchten, ist das selbstverständlich gut so. Ich würde aber empfehlen, dass Sie sich die Fragen selber einmal vornehmen und so tief, wie irgendmöglich „graben“.
Besonders die Frage nach der „Liebe“.

Und zu guter Letzt ein „Koan“:

„Wer waren Sie vor der Geburt Ihrer Eltern?“

Und als ein weiteres „zu guter Letzt“ eine Idee:

„Was, wenn es „da draußen“ gar nichts gibt?“

Mit herzlichem Gruß,

Hans-Peter Dannenberg

**Ergänzung** Es ist in beeindruckender Weise erkennbar, wieviel Macht der „Kraft des Verstandes“ beigemessen wird. Das ist nicht verwunderlich, sind wir doch von Geburt an so sehr auf unseren Verstand, unser Intellekt konditioniert. Hier erhoffen wir uns die Lösungen aller menschlichen Probleme. Ein scharfer Verstand, das Analytische Denken, versprechen ein erfolgreiches Leben. Ein scharfer Verstand engt uns allerdings auch in einem erheblichen Maße ein. Der Verstand ist, wie der Körper, ein Werkzeug des Egos und steht nicht in Verbindung mit unserem Herzen, unserer Intuition. Er ist ein Programm, geschaffen um das Ego aufs Podest zu heben und dort zu halten. Dieses Programm hat sich allerdings von Anfang an ein Virus eingefangen: Trennung. Zudem ist der Verstand, wie eben auch der Körper, der Vergänglichkeit unterworfen. Dazu aber später mehr.