Um Achtsamkeit zu üben braucht es keinen spirituellen oder esoterischen Hokuspokus. Der Alltag ist Übung genug. Die Herausforderung ist lediglich, aus dem Gewohnheitskarussell auszusteigen und wach und präsent zu werden. Wir sind es gewohnt, unsere Persönlichkeit ständig in Bezug auf Vergangenes oder Zukünftiges zu sehen – überlagert von Befürchtungen, Sorgen, Ängsten, Mutmaßungen und Spekulationen. Hinzu kommt die Unbewusstheit, die unseren Alltag in einem quasi „Autopiloten“ abspulen lässt. Ein gefährlicher Mix, der uns ständig am Leben vorbei leben lässt.

Wie sieht denn unser Alltag aus? Zwei Drittel der Männer (67%) und die Hälfte der Frauen (53%) in Deutschland sind übergewichtig. Ein Viertel der Erwachsenen (23% der Männer und 24% der Frauen) ist stark übergewichtig (adipös). Sind wir uns bewußt darüber was wir essen? Und wieviel? Achten wir darauf? Unachtsamkeit sorgt auf körperlicher Ebene für viel Krankheit und Leid.

Auf der mentalen, psychischen Ebene sieht es ähnlich aus: Die Statistiken der letzten Jahre zu Themen wie Streß, Burn-Out und Depressionen sprechen eine klare Sprache. Die Kurve geht steil nach oben. Angst- und Panikstörungen sind ebenfalls auf dem Vormarsch. Und es ist kein Geheimnis: Wenn der Geist krank ist, folgt auch der Körper. 

Im gesellschaftlichen Miteinander herrschen Oberflächlichkeit und Unachtsamkeit. Das Interesse am Gegenüber scheint gering. Wir haben verlernt, zuzuhören. Wir hören, ja, aber sofort wird beurteilt und am Ende steht dann häufig Ablehnung. Auch hier wird umgehend Bezug auf sich selbst genommen. Passt das, was ich vom Gegenüber höre auch zu meinen Ideen? Nein? Dann will ich es nicht. Und auch hier ist es die fehlende Achtsamkeit. Denn ich achte nicht auf das, was der andere mir sagt, ich achte darauf, was ich hören möchte. Und ich höre nur auf die Konzepte, die ich in der Vergangenheit gelernt habe und von denen ich hoffe, dass sie mir in Zukunft gut tun.

Wir lassen uns von außen erzählen, wie wir zu leben haben. Gesellschaftliche Maßstäbe übernehmen das Zepter. Der Druck wird immer größer. Wir wissen nicht mehr wer wir sind, weil das soziale Umfeld uns einredet, wie wir zu sein haben und wer wir scheinbar sind. Unsere Kultur, unsere Eltern, Lehrer, Religion, Medien, all´ das von uns Externe formt uns zu dem, was wir als „Ich“,meine Persönlichkeit„, bezeichnen.

Wie ein Blatt im Wind werden wir im Leben hin und her gepustet, ohne das wir scheinbar darauf Einfluss nehmen könnten.

Aber: In der Stille erfahren wir alles über uns. Wir sind mehr als das, was wir glauben zu sein.

Wir stecken in einem Teufelskreis, und merken es nicht einmal. Hier helfen Achtsamkeit und Meditation. Im Moment des Innehaltens öffnet sich für einen Augenblick ein Fenster aus dem wir hinausschauen und einen Blick in die ungefärbte Wirklichkeit des Moments werfen können. In diesem Moment gibt es keine Begrenzung. Es herrscht vollkommene Freiheit. Und aus dieser Freiheit heraus können wir ohne Angst und Zweifel mit aller Offenheit dem Leben begegnen. Wir geben uns dem Leben hin, nicht den eingeschränkten Konzepten des Ich-Konstrukts.


Hast Du Lust auf eine Übung?
 Im Grunde sind es drei kleine Lektionen! Wenn Du heute mit jemanden sprichst, höre ihm oder ihr unvoreingenommen zu. Es muss kein tiefsinniges Gespräch sein. Achte auf Folgendes:

1. Bin ich in der Lage durchgängig seinen, oder ihren Worten zu folgen, oder schweife ich in meine eigene Gedankenwelt ab?

2. In dem Moment, in dem ich eine Meinung höre, die nicht meine ist: beurteile ich das Gehörte sofort? Und ändert sich meine Haltung gegenüber meinem Gesprächspartner?

3. Ertappe ich mich im Laufe des Zuhörens dabei, mein eigenes Erleben, meine Meinung und meine eigenen Erfahrungen unbedingt präsentieren zu müssen, auch auf die Gefahr hin, meinem Gegenüber ins Wort zu fallen?


Auch bei dieser Übung geht es 
nicht darum, mögliche Defizite aufzuzeigen. Es geht um Dein Potential, welches Du erst dann (wieder)-entdecken wirst, wenn Du die unsichtbaren Barrieren in Deinem Gewohnheits/Alltagsgeist entdeckt hast.