Wie geht es Dir? Gut? Nicht so gut? Grandios? Oder „so – lalla“? Durchwachsen? Bist Du im Reinen mit Dir, oder kneift es doch noch irgendwo? Aber wie auch immer Deine Antwort heute ist: morgen wird sie anders sein. Mit ziemlicher Sicherheit. Und wenn nicht morgen, dann übermorgen.
Und stören Dich diese Schwankungen nicht auch so sehr? Was tun wir doch alles, um endlich mal ein permanentes Gefühl von Glück und Zufriedenheit zu erfahren. Wir streben nach finanzieller Unabhängigkeit, weil wir glauben, das wird uns zufrieden und vielleicht sogar glücklich machen. Oder die „perfekte Beziehung“ wird es richten. Eine traumhafte Karriere? Das neue Auto, das Häuschen im Grünen? Nach einer Weile ahnen wir: so funktioniert es nicht. Aber wir wollen es nicht wahr haben. Wir probieren es doch nochmal…nur um abermals mit hängenden Schultern aus einer weiteren Enttäuschung zu schlurfen.
Dann aber kommt was Neues! Das ist es! Das muss es sein! Spiritualität, Esoterik, Religion, Philosophie.
Wir begegnen „heiligen“ Menschen, die wissen wie es geht. Hier ein Selbstfindungskurs, ein Meditationswochenende, ein neues, wunderbares Buch. Eine erleuchtete Lehrerin, ein charismatischer Lehrer. Endlich! Die Hoffnung ist groß, der Absturz allerdings auch, weil vorprogrammiert…wenn Du Dir über diesen EINEN aber grundlegenden Aspekt nicht im Klaren bist: Du bist es, der sucht. Dieses DU ist das Problem. Es ist Dein Ego, Deine Persönlichkeit die da im Aussen sucht. Dein Ego hat keine wirkliche Substanz, gibt es im Grunde nur als Gedanken- oder Traumwelt, aber wir hinterfragen es nicht. Im Gegenteil, wir verbringen das ganze Leben damit, dieses Ego zu befriedigen, tagein, tagaus. Was für ein Teufelskreis und was für ein Blendwerk.
Viele spirituelle Sucherinnen und Sucher sind sich sicher, sie müssten das Ego aufgeben. Das geht aber nicht. Das funktionierte noch nie. Aber: es ist notwendig dahinter zu kommen, wer dieses Du, oder Ich wirklich ist. Manche, die dahinter steigen, nennen es „Gott“, das „Universelle“, das „Eine“, „Buddha“, „Brahman“, je nachdem welches kulturelle Vokabular zur Verfügung steht. Du bist und warst immer frei, ungebunden von Tod und Geburt und untrennbar vom „Ganzen“.
Du bist nicht die Welle, Du bist der Ozean. Genauso wie Du nicht der Sonnenstrahl, sondern die Sonne selbst bist. Verstanden? Nein? Dann ist’s gut. Denn Dein Ego ist nicht in der Lage es wirklich zu verstehen. Kein Lehrer und keine Lehrerin kann Dir diese Erfahrung geben. Kein Buch wird es Dir wirklich vermitteln. Wenn die Zeit reif ist, ist da ein zaghaftes Wirken in Dir. Deine „göttliche Natur“ erwacht. Buddhisten sprechen von der Buddhanatur die in jedem von uns schlummert. Die Mystiker des „Goldenen Rosenkreuzes“ sprechen von der Rosenknospe, die sich tief im Mensch verborgen hält und darauf wartet, zur vollen Schönheit zu erblühen.
Das klingt schön. Das klingt hoffnungsvoll! Aber was bedarf es, um daraus eine lebendige Erfahrung zu machen? Was nützt es, wenn all‘ die Hoffnung auf Freiheit und Glück, letztendlich nur in Schubladen verschwindet und irgendwann im Staube der Mutlosigkeit zu einem Relikt vergangener Tage wird?
Also: was kannst Du tun?
Das Ego ist im Grunde sehr schwach. Kein Wunder, denn es hat keine wirkliche Substanz. Es entspringt lediglich einer Vorstellung – quasi eine Fata Morgana. Es ist eingepfercht in einem kleinen Gefängnis und in jedem Moment darauf versessen, beachtet und umsorgt zu werden. Es zieht sich eine Menge Dramen und Geschichten rein. Es liebt Komödien, Tragödien, Geschichten aller Art, um lautstark mitzuteilen: schau´ her, ich bin Hauptdarsteller dieser, meiner Geschichte namens „mein Leben“. Es braucht ständige Beachtung, und das ist fürchterlich anstrengend.
Und man könnte meinen, das Ganze hätte System. Denn wenn wir Momente erleben, in denen wir das Ego vergessen, schauen wir tatsächlich in unsere „Buddhanatur“, oder ins „Antlitz Gottes“. Wir können dann einen Blick ins Unendliche erhaschen, in eine Dimension bedingungsloser Liebe. Da gibt es kein mein, kein dein, kein ich, kein du. Da gibt es nur ein Erleben von Verbundenheit und grenzenlosem Sein. Worte können es nicht beschreiben, denn in diesem Zustand ist die Idee von Dualität nicht vorhanden.
Diese „heiligen Momente“ sind es, die unser Herz berühren. Beim Spaziergang in der Natur, dem hingebungsvollen Lauschen eines Musikstückes; der Maler, wenn er tief versunken an seinem Werk sitzt. Ja, wenn wir uns selbst vergessen und in die Tiefe unseres universellen göttlichen Seins sinken. Kein Wunder also, dass das Ego alles Mögliche auffährt, um unter allen Umständen solch´ einen Moment zu verhindern.
Aber müssen wir nun ständig im Wald umher spazieren, schöne Musik hören, Bilder malen, oder Klavierspielen lernen? Habe ich denn gar keine andere Chance solch´ einen Moment der Freiheit zu entdecken? Keine Sorge! Alle religiösen Wege haben ihre ganz eigenen Methoden dem Sucher die Augen zu öffnen. Dabei geht es um mehr, als nur um einen Augenblick der Verzückung. Es geht darum, den „Schleier der Verblendung“ abzustreifen und in das „ursprüngliche Antlitz“ zu schauen.
In der Zen – Übung werden wir mit einem Begriff konfrontiert, der als Kensho bezeichnet wird. Es ist der Blick hinter dem Vorhang des Egos, bzw., des Verstandes.
Kensho ist Weg und Ziel zugleich und das Mark der Zen – Übung. Es geht um genau diese Erfahrung, wenn der Lehrer Dich fragt, wer Du warst, bevor Deine Eltern geboren wurden, oder wenn Du in Meditation Deinen Geist im Blick hast, absichtslos, versteht sich. Oder wenn Dein Ego jammert, weil es die Knieschmerzen während des Zazen (Sitzen in Stille) nicht mehr erträgt und es irgendwann mal aufgibt und DICH freigibt…für eine zeitlang.
Alle Zen – Übungen sind dazu gedacht, das Ego auszutricksen. „Manjushri“, der das Schwert der Weisheit trägt, schleicht sich durch die Hintertür, um eben dieses Schwert mitten in das Herz der Unwissenheit zu treiben.
Fragen und Anregungen zu diesem Text gern an:
info@zen-sh.de
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